Dosenbier statt Kirchenbrand – Phal:Angst mit neuem Album »Whiteout«
Dosenbier statt Kirchenbrand – Phal:Angst mit neuem Album »Whiteout«
Sandro Nicolussi
am 12. Januar 2023 in Musik & Club, Rezi
Phal:Angst bestehen seit 16 Jahren und warten mit einem guten fünften Album auf, das in die Stimmung der Zeit passt, das man aber gerne noch mal ohne Trommeln hören würde.
Wenn die Düsterheit in mehrfacher Wortbedeutung draußen omnipräsent ist, holt man sie sich am besten auch noch mit rein, um nicht permanent anstrengenden Stimmungswechseln ausgesetzt zu sein. So kommt die neue Platte von Phal:Angst gerade zur richtigen Zeit. Und »Whiteout« ist ein Album, für das man sich auch Zeit nehmen darf. Die acht Nummern ziehen sich gut in die Länge und überwinden teilweise den Aufbau klassischer Songstrukturen. Die Gitarrenflächen sind einnehmend, die Einspieler von Vocal-Samples machen neugierig, und auch dass der Schreigesang teils etwas im Hintergrund bleibt, tut der Qualität keinen Abbruch. Es stellt sich einzig die Frage, wie der Release wohl klingen würde, hätte man die Drums sorgfältiger platziert (oder ganz weggelassen). Diese wirken wegen ihres lauten, präsenten Mixes in fast jedem der Originaltracks draufgepflastert und stören stellenweise. Dabei hätten es die enthaltenen Remixes so gut vorgemacht.
DIY for life!16 Jahre und jetzt eben fünf Alben besteht das Quartett schon, in Bandjahren also zwei bis drei Leben – vor allem wenn die Rede von DIY-Kontexten ist, wie sie Phal:Angst seither meistens bespielten und sogar infrastrukturell ermöglichten. Das merkt man spätestens dann, wenn man sich die mitgelieferten Bandfotos anschaut, die gleichermaßen Selbstironie und Wurschtigkeit transportieren: Was ist sympathischer als eine Düsterband, die sich für die Releaseporträts nicht mit ausgefahrenem Mittelfinger vor einer brutalistischen Kirche, sondern mit ein paar Schwechater-Dosen am Wiener Gürtel platziert?
Das geduldige Bandbestehen offenbart sich auch in deren Kontaktbuch: Mit Remixes von Brian Williams aka Lustmord und Jarboe Deveraux (Swans) befindet sich die Handschrift zweier Künstler*innen auf dem Album, die ihre ersten Releases in den Schwarzen Szenen der frühen 80er-Jahre hatten. »What a time to be alive« – um die Tracklist zu zitieren. Regisseur Paul Poet attestiert in den Liner Notes eine stilistische Kombination aus Mogwai, Nine Inch Nails und Godspeed You! Black Emperor. Warum also so kurz nach dem Jahreswechsel noch mal neue Vergleiche anstellen, wenn diese einfach unterstrichen werden können?
7/10
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